Experteninterview mit Susanne Brüggemann

Teil zwei meiner dreiteiligen Interviewreihe zum Thema Interim-Management. Ich sprach mit Susanne Brüggemann aus Krefeld. Sie arbeitet als Interim-Managerin zusammen mit Thomas Pluch unter der Marke PLUCH Interim Management.

  • Interim-Management wird mehr und mehr zur kompetenten Begleitung von Veränderungen und Umsetzungsprojekten.
  • Die Chemie zwischen Mandant und Interim-Manager muss stimmen.
  • Die Chancen für Frauen im Interim-Management sind sehr gut.

Liebe Frau Brüggemann, Sie arbeiten seit über vier Jahren als Interim-Managerin im Bereich Industrie- und Technologieunternehmen, sind Diplomingenieurin Chemietechnik und haben eine beachtliche Karriere in einem namenhaften Chemieunternehmen vorzuweisen. Unter der Marke PLUCH Interim Management bieten sie zusammen mit Thomas Pluch ihre Leistungen gemeinsam sehr erfolgreich am Markt an. An welchem Projekt arbeiten Sie im Moment, und was fordert Sie daran gerade besonders heraus?

Susanne Brüggemann: Aktuell arbeite ich an einer Technologie-Roadmap für ein internationales Familienunternehmen. Unser Mandant möchte die neue Unternehmensstrategie mit verstärkter Kundenorientierung und klar definierten Zielmärkten in das zu entwickelnde Produktportfolio einarbeiten. Damit soll die Aufgabenstellung für die Entwicklungsabteilung für die kommenden Jahre definiert werden. Die zu erarbeitende Technologie-Roadmap soll die neue Unternehmensstrategie voll und ganz unterstützen.

Herausfordernd in diesem Kontext ist einerseits die internationale Zusammenarbeit zwischen den Teams aus dem Mutterkonzern in Italien und dem deutschen Team vor Ort und andererseits die Verbindung von technischen und technologischen Fragestellungen und einer neuen Marktstrategie. Was benötigen die Kunden in Zukunft und wie kann mein Mandant mit seiner typisch mittelständisch geprägten Größe und Vorgehensweise darauf eine passende, technologische Antwort bieten?

Diese Aufgabe hat viele Facetten und ist dadurch sehr abwechslungsreich. In dem typisch „ingenieurlastigen“ Umfeld fühle ich mich zudem immer wie zu Hause! 

Zur Person

Ihr Profil hat mich in der Tat sehr angesprochen, vor allem weil es immer noch zu wenig Frauen im Bereich Interim-Management gibt. Wie würden Sie sich selbst beschreiben, und was können Sie besonders gut?

Ich denke, meine langjährige Berufs- und Managementerfahrung in der internationalen chemischen Industrie hat mich sehr geprägt. Fachübergreifendes Denken, hohe Selbständigkeit in der Herangehensweise an neue Aufgaben, sehr schnelles Einarbeiten in einen neuen Kontext und eine strukturierte Eigenorganisation sind dabei sicher Merkmale, die ich mitbringe. Wie viele Manager kann ich mich gut ausdrücken – in drei Sprachen fließend – und aus vielen Details die wirklich Wichtigen herausfiltern. Und als Ingenieurin kann ich auch komplexere technische Themen zumindest so durchdringen, dass ich die Zusammenhänge verstehe und ihre Auswirkungen auf ein Geschäftsmodell oder ein Unternehmen erkennen kann.

Aber besonders ein gutes Gespür- wie man mit den unterschiedlichen Persönlichkeiten im Unternehmen eine vertrauensvolle und gute Arbeitsbeziehung aufbauen kann, ist wichtig für den Erfolg als Interim-Managerin.

Wofür stehen Sie gemeinsam mit Herrn Pluch? Was unterscheidet Sie von anderen Interim-Managerinnen und -Managern? Arbeiten Sie auch gemeinsam an einem Projekt?

Wir sind zu zweit als Interim-Manager und gleichberechtigte Gesellschafter im gemeinsamen Unternehmen tätig. Jeder betreut dabei seine Mandate eigenständig. Allerdings tauschen wir uns in kritischen Projektphasen oder wenn einer von uns irgendwie das Gefühl hat, „steckenzubleiben“, auch gezielt miteinander zu unseren Projekten aus. So bekommen wir eine zweite Sicht auf die Dinge, neue Ideen und Impulse. Dies ist auch wichtig, um im Mandat des anderen einspringen zu können, falls dies erforderlich werden sollte.

Beide stehen wir für eine nachhaltige Veränderung im Unternehmen, sei es in Zeiten eines notwendigen Turn-arounds oder in der Neuausrichtung auf eine neue Strategie bzw. wichtige Zukunftsthemen. Wir möchten etwas bewegen, zu Ergebnissen kommen, und die Menschen im Unternehmen bei diesen Veränderungen mitnehmen - das ist unser Antrieb! Wir sind Generalisten und Ingenieure mit langjähriger Führungserfahrung und können uns damit sehr gut in die Sicht von Unternehmern und Geschäftsführern hineindenken, haben wir doch selbst lange in vergleichbaren Funktionen gearbeitet. Wir schauen aber auch ob angefragte Mandate zu uns passen, dabei ist uns ein respektvoller Umgang miteinander und die Frage „ob die Chemie stimmt“ sehr wichtig. Vielleicht sogar wichtiger als die inhaltliche Fragestellung eines Mandats! 

Interim-Management

Was hat Sie dazu bewogen, Ihre langjährige Konzernzugehörigkeit aufzugeben und sich dem Markt des Interim-Managements zu widmen?

Ich hatte nach 25 Jahren und mit Anfang 50 im Konzern den Eindruck, viele Probleme bereits mehrfach gesehen zu haben und heute bereits zu wissen, was morgen kommen wird. Da fehlte die Entwicklungsperspektive für mich, und so habe ich mich entschlossen, der Konzernkarriere den Rücken zu kehren und einen selbständigen Weg einzuschlagen. Eigenverantwortung und Autonomie waren für mich echte Anreize und mein „Ego“ hing nicht am Status eines Titels. Das Interim-Management hat mich dann durch die Vielfältigkeit der Mandate und die starke Umsetzungskomponente angezogen. Ich wollte weiter „machen“ dürfen, nicht allein beratend zur Seite stehen. Und ich habe mir die Abwechslung gewünscht, in unterschiedliche Branchen hineinschauen zu können.

Welche größeren Herausforderungen nehmen Sie während Ihrer Arbeit immer wieder wahr, fällt Ihnen dazu spontan etwas ein? Wie begegnen Sie solchen eher schwierigen Situationen?

Es gibt manchmal die Situation das auch unrealistische Erwartungen an die Interim-Manager herangetragen werden. Probleme, die jahrelang vorhanden sind, sollen in kürzester Zeit gelöst werden.

Wir begegnen dem, indem wir sehr auf eine gute Vertrauensbasis zu unseren Ansprechpartnern beim Kunden achten und realistische Zielsetzungen aufzeigen und argumentieren. Wenn dann die ersten Ergebnisse sichtbar werden, erkennen viele Kunden schnell, dass wir seriös arbeiten und nicht leichtfertig etwas versprechen, was nicht zu halten ist.

Der Markt

Was sind Ihre Eindrücke zum Interim-Management-Markt? Ist er ein wachsender Markt mit signifikanten Trends? Wohin wird er sich aus Ihrer Sicht hin entwickeln?

Wir sehen, dass das Interim-Management weiter stark wachsen wird. Sicher noch verstärkt durch die zunehmende Knappheit am Arbeitsmarkt fachlich kompetente Mitarbeiter und Führungskräfte zu finden.

Wir glauben, dass das Interim-Management sich weg von der reinen Vakanzenüberbrückung und Krisenbewältigung und hin zur kompetenten Begleitung von Veränderungen und Umsetzungsprojekten bewegt. Hier haben Unternehmen weiterhin die größten Probleme, nicht in der Identifikation sinnvoller Massnahmen, sondern in ihrer erfolgreichen Umsetzung! Da sind umsetzungserfahrene Führungskräfte enorm wichtig und gesucht.

Wie gelangen Sie zu Ihren Aufträgen, welches sind Ihre erfolgreichsten Vertriebskanäle? Arbeiten Sie auch mit Providern zusammen?

Bisher haben wir die Situation, dass uns Kunden direkt ansprechen. Diese finden uns häufig über unsere Internetseite oder die beruflichen, sozialen Netzwerke. Darüber hinaus ist eine gute Vernetzung häufig wichtig für einen Erstkontakt, alles weitere muss danach aber ebenfalls überzeugen und passen. Natürlich pflegen wir auch den Kontakt mit Providern.

Perspektiven

Frau Brüggemann was sind Ihre ganz persönlichen Visionen für Ihre eigene Arbeit? Welche Perspektiven haben Frauen im Bereich des Interim-Managements? Gibt es aus Ihrer Sicht gute Entwicklungsmöglichkeiten und wenn ja, was würden sie vor allem anderen interessierten Frauen raten, bevor sie sich in solch einen Markt begeben?

Ich bin weiter neugierig und möchte in den nächsten Jahren gern anhand neuer Herausforderungen unterschiedliche Branchen kennenlernen. Neuen Technologien gegenüber bin ich sehr aufgeschlossen und sehe viele Chancen, ohne selbst zu den Digital Natives zu gehören.

Ich denke, dass die Chancen für Frauen im Interim-Management sehr gut sind. Eine empathische Herangehensweise und eine hohe Flexibilität vorausgesetzt.

Die Bereitschaft zu intensiver Reisetätigkeit ist zudem zu berücksichtigen. Nur selten findet man das spannende Mandat direkt vor der Haustür!

Und letztens sollte jede Frau – und auch jeder Mann – sehr ehrlich mit sich sein, wie viel Sicherheitsgefühl man für das eigene Leben benötigt. Die Selbstständigkeit birgt natürlich wirtschaftliche Risiken in sich. Hier ist Coolness und Selbstbewusstsein gefragt, sonst kann der Schritt nicht gelingen.

Interim-Management ist für mich eine gute Alternative zur Fortsetzung einer Konzernkarriere bis zum Rentenalter und bietet echte Chancen, seine Erfahrungen sinnvoll einzusetzen und sich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen. Sein eigener Chef zu sein passt für mich zudem hervorragend zur Lebenssituation 50+!

 

Foto: Susanne Brüggemann